auf ins barfußleben!

Morgen starten wir in den dritten Teil unseres Reisejahres. Wir werden häufig gefragt, wo genau wir ihn verbringen. Die meisten haben von unserem Ziel, der kleinen australischen Insel Christmas Island, noch nie etwas gehört. Spiegel online hilft weiter mit diesem am ersten Weihnachtstag veröffentlichen Beitrag. Seit der Lektüre freuen wir uns noch mehr auf unsere Zeit dort und unseren Job als Ranger Volunteers.

Tauchen vor Christmas Island

In den oft unerforschten Revieren der Weihnachtsinsel dürfen sich Taucher noch als Pioniere fühlen. Manchmal bekommen sie ein einzigartiges Naturschauspiel geboten.

Von Linus Geschke

Einmal im Jahr kommt Christmas Island, die Weihnachtsinsel im Indischen Ozean, vollständig zum Stillstand: Nichts geht mehr, wenn 42 Millionen ihrer Bewohner aus dem Dschungel an den Strand ziehen. Straßen werden gesperrt, Tankstellen färben sich rot, und Schulen werden geschlossen. Sämtliche Unterkünfte sind belegt, meist mit Fotografen und ökologisch Interessierten, die sich ein einzigartiges Naturschauspiel nicht entgehen lassen wollen.

Denn es geht um 42 Millionen knallrote Krabben – auf diese Anzahl haben Forscher sie kürzlich geschätzt. Wenn die nur hier und auf den benachbarten Kokosinseln vorkommenden Weihnachtskrabben irgendwann im November ans Meer ziehen, um ihre Eier abzulegen, geht auf der Insel gar nichts mehr.

Vor hundert Jahren, sagt Joe Bellman, der in der Hauptstadt Flying Fish Cove einen kleinen Laden betreibt, gab es wohl noch viel mehr davon. Doch dann kam der Phosphat-Abbau und mit ihm die Menschen, die Rodung kleinerer Gebiete. Auch heute noch ist die Branche mit 192 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der nur knapp 2000 Einwohner der Insel, selbst wenn der Tourismus aufgeholt hat.

Und es könnten nun noch mehr werden – insbesondere jene Art Touristen, die in Neopren gekleidet und mit einer Pressluftflasche auf dem Rücken mehr an der Welt unter als an jener über Wasser interessiert sind. Seit September 2016 gibt es die erste Tauchstation einer internationalen Kette auf Christmas Island. Wer hier abtaucht, darf sich noch als Pionier fühlen.

Und die Taucher kommen, weil die Unterwasserwelt um Christmas Island als ebenso unberührt wie fischreich gilt. Weil sich die Insel vulkanischen Ursprungs aus mehr als 4000 Meter Tiefe erhebt, von nahezu senkrecht abfallenden Steilwänden umgeben ist und deshalb als Anziehungspunkt für alles Große dient, was in diesem Teil des Indischen Ozeans herumschwimmt. Insbesondere dann, wenn die ersten Krabben aus den Eiern schlüpfen.

„Für Walhaie sind die winzigen Jungtiere ein gefundenes Fressen“, sagt Sandra Yoshida, die auf Christmas Island als Tauchlehrerin arbeitet. „Sie enthalten viel Eiweiß und sind leicht zu fangen. Als bis zu zwölf Meter langer Fisch muss man einfach nur mit weit geöffnetem Maul langsam durch die Suppe schwimmen, um satt zu werden.“

Das tun die Walhaie zwischen Dezember und März dann auch. Zu Dutzenden. Sogar der erste Tauchkurs musste schon unterbrochen werden, weil die sanften Riesen die Schüler einfach zur Seite geschoben haben. 13 Walhaie haben sie allein in den vier Tagen gesehen, die so ein Tauchkurs dauert – das ist mehr, als die meisten Taucher in einem ganzen Taucherleben vor die Maske bekommen.

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Mühselig: Die Zähmung des Amtsschimmels

Dass neuerdings überhaupt Taucher in nennenswerter Anzahl nach Christmas Island kommen, ist einem Deutschen zu verdanken. Walter Harscher besitzt eine ganze Kette von Tauchbasen, dazu Deutschlands größten Tauchreiseveranstalter. Sechs Jahre lang hat er davon geträumt, auch auf Christmas Island ein Center zu eröffnen. Seit dem Tag, an dem er die Insel zum ersten Mal betreten hat.

Dass die Umsetzung so lange gedauert hat, lag an den bürokratischen Hürden. Christmas Island liegt nur 350 Kilometer südlich von Java, politisch gehört die Insel aber zu Australien. Jede Anreise von Europa aus muss über das australische Perth gehen, 2600 Kilometer entfernt, andere Verbindungen gab es zu der Zeit nicht. Dazu zeigte sich die australische Regierung Ausländern gegenüber, die auf der Insel ein Unternehmen gründen wollen, nicht gerade aufgeschlossen.

Harscher war schon kurz davor aufzugeben, als er auf Barry Haase traf. Der 71-Jährige saß 15 Jahre lang im australischen Parlament und lebt jetzt auf Christmas Island. Er weiß, dass die Insel ohne Tourismus keine Zukunft hat. Außer der Krabbenwanderung und dem Phosphat gibt es nur wenig, was die Einheimischen wirtschaftlich nutzen können. Rund zwei Drittel ihrer Oberfläche besteht aus einem Nationalpark, der größtenteils von einem undurchdringlichen Regenwald bedeckt ist. Die Bevölkerung hat oftmals keine Arbeit, ein Teil hat Christmas Island bereits verlassen. Haase ebnete Harscher daraufhin den Weg, führte ihn durch die Instanzen, hin zu dem sanften Tourismus, der beiden vorschwebte.

Ein Aufwand, der sich für den Deutschen dennoch gelohnt hat. „Anders als in weiten Teilen Asiens ist das Meer rund um die Insel noch völlig unberührt“, erklärt er. „Vor Christmas Island war noch kein einziges Industrieschiff unterwegs, wurde noch nie mit dem Netz gefischt. Es gibt nur einen Fischer, der dies beruflich macht, und der angelt mit zwei Rauten. Auch sonst wirkt das Eiland wie aus der Zeit gefallen. Ich war jetzt siebenmal hier und habe nie ein Haus gesehen, das abgeschlossen war. Jeder lässt in seinem Auto den Schlüssel stecken, wenn er aussteigt. Es gibt auch keine abgeschotteten Hotelanlagen wie in anderen Gegenden: Alle Touristen leben mitten unter der Dorfgemeinschaft.“

Und die lange Anreise für seine meist aus Deutschland stammenden Gäste? Harscher zuckt die Schultern. „Wir haben von Garuda Airlines jetzt einfach einen Flieger gemietet, der jeden Samstag von Jakarta aus in nur 45 Minuten nach Christmas Island fliegt. Einen Teil der Plätze füllen meine Taucher, die anderen Einheimische, die sich über die schnelle Verbindung nach Asien freuen.“

Ein Tauchgang, fünf Hai-Arten

Seine im September 2016 eröffnete Basis bietet jetzt maximal 25 Tauchern Platz, und sie entdecken ein Gebiet, das auch ohne Krabben zu den aufregendsten der Welt gehört. Fast lotrecht fallen die Steilwände rund um die Insel ab, sind über und über mit Weichkorallen behangen. Riesige Schwärme kleinerer Barscharten drücken sich an sie, um dem Appetit der umherstreifenden Haie zu entgehen. Meistens sind es Schwarzspitzen- oder Weißspitzen-Riffhaie, durch die immer wieder Gruppen von Grauen Riffhaie stoßen.

Wenn man jedoch den Blick von der Farbenpracht des Riffes abwendet und ins Freiwasser schaut, sieht man auch größere Konturen, die sich langsam aus dem Blau schälen. Dann kommen sie näher, werden schärfer, weniger verschwommen. Eine ganze Schule Hammerhaie, unter die sich noch zwei Seidenhaie gemischt haben. Das Bild erinnert jetzt ein wenig an Galapagos, nur bunter und wärmer.

Und kaum eines der Tiere zeigt Scheu. Bis auf Armeslänge nähern sie sich den Tauchern, nicht aggressiv, eher neugierig. Auch für sie scheinen die Unterwassersportler eine Abwechslung darzustellen. Drei, vier Minuten dauert das Zusammentreffen, dann ist die Neugierde erloschen – zumindest auf Seiten der Hammerhaie, die wieder im endlosen Blau verschwinden.

Nur die Walhaie und die angekündigten Tigerhaie lassen sich heute nicht blicken – vielleicht wären sieben verschiedene Haiarten bei einem einzigen Tauchgang aber auch zu viel des Guten. Außerdem ist morgen auch noch ein Tag. Wahrscheinlich wird er genauso sein wie gestern oder vorgestern: Die Uhren gehen immer noch sehr langsam auf Christmas Island.

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chrisbrayphotography.com

 

teil zwei – das nehmen wir mit

Zurück in Hamburg machen wir eine kurze Reisepause. Hier ist es winterlich kalt, und wir freuen uns schon jetzt auf die Wärme unserer barefoot-Zeit.

Zuvor blicken wir noch einmal zurück. Was nehmen wir mit aus den letzten vier Monaten in Südamerika?

1. Die Chilenen sind organisiert und sauber. Die Argentinier sind chaotisch und unaufgeräumt. Das macht die Argentinier zu den interessanteren Menschen. Auch Charles Darwin hatte das schon entdeckt.

2. Es ist nicht die beste Idee Südamerika zu bereisen ohne spanisch zu sprechen.

3. Aber es funktioniert.

4. Wir haben wiederentdeckt, wie sehr wir das Reisen mit und das Leben in einem Wohnmobil lieben. Und planen bereits weitere Reisen.

5. Südamerika bietet atemberaubende Natur. Die Naturerlebnisse machen das Reisen hier einzigartig.

6. Die zahlreichen Reisebekanntschaften haben uns gezeigt, dass es viele und ganz unterschiedliche Wege gibt, seine Träume zu erfüllen.

7. Wir dachten, unsere Auszeit sei etwas ganz besonderes. Die Begegnungen in Südamerika haben gezeigt, daß das ganz und gar nicht so ist. 

8. Die tägliche Dusche wird überbewertet.

9. Es gibt Orte auf dieser Welt, an denen man nichts, rein gar nichts hört.

10. Auch nach acht Monaten 24/7 gehen wir zwei uns nicht auf die Nerven. Ganz im Gegenteil.

11. Südamerika ist laut: Laute Musik, laute Autos, Hundegebell Tag und Nacht. Selbst die Menschen sind laut. Manchmal sind wir davor geflohen.

12. Es gibt noch unendlich viel zu sehen in Südamerika. Wir müssen wiederkommen.

adios y muchas gracias

Das wars. Vier Monate durch Südamerika sind fast vorbei. Vier Monate voller Abenteuer, neuer Freundschaften, besonderer Momente, unglaublicher Natur, harmonischer Zweisamkeit, anstrengender Straßen und Pisten, uneingeschränkter Freiheit, fast 17.000 gefahrener Kilometer, unzähliger Eindrücke und noch so viel mehr.

Unsere letzte Woche mit dem Bus bringt uns in vier Etappen 1.500 Kilometer zurück nach Buenos Aires. Und endlich wird es richtig warm. Dummerweise geht die Wärme einher mit dem Ausfall unserer Klimaanlage, sodaß die Rückfahrt eine schwitzige Angelegenheit wird.

Wieder reiht sich ein schöner Übernachtungsplatz an den anderen, die Landschaft verändert sich jedoch komplett. Nach den letzten Wochen im kalten Regenwald fahren wir nun wieder durch trockene Regionen, die später in landwirtschaftlich genutzte Flächen übergehen. Felder mit Millionen blühender Sonnenblumen leuchten im Sonnenschein. Seen ermöglichen uns eine Abkühlung in der Mittagspause und erinnern uns mit ihrer vielseitigen Vogelwelt an unser Segelrevier, die Ostsee. An einem Tag sehen wir fünf Störche und drei Eulen.


Im Nationalpark Lihue Calel lernen wir Gabi und Jürgen aus Franken kennen und verquatschen einen herrlichen Abend.

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Der beeindruckende Landcruiser von Jürgen und Gabi

Auf unserem Platz 25 Kilometer nördlich von Buenos Aires beim Wohnmobilvermieter Cris gibt es wieder einmal einen unvergesslichen internationalen Overlander-Abend. Wir lernen Jenny und Gavin aus England kennen, die insgesamt zwei Jahre mit ihrem Landrover unterwegs sind und von denen wir schon viel gehört haben. Hinzu kommen noch Melanie und ihre Männer aus Ontario/Canada, die gerade erst losfahren. Wir werden ein wenig wehmütig…

Die restlichen Tage in Buenos Aires füllen wir mit der Vorbereitung der Übergabe unseres Busses. Die Reparatur der Klimaanlage klappt in einer Fachwerkstatt perfekt. Was uns allerdings viel Zeit kostet ist die Beseitigung all des Staubes aus dem Bus. Zwischendurch gönnen wir uns zwei letzte ruhige Tage im Flussdelta nördlich der Stadt.


Der Abschied vom Bus fällt uns schwer. Auch wenn er nie ein Familienmitglied werden sollte, so ist er uns doch in den letzten Monaten sehr ans Herz gewachsen. Wir haben es ihm mit den Routen nicht immer leicht gemacht. Dennoch hat er uns treu durch Wälder und Flüsse, über Schotter- und Sandwege und viele Berge hoch und runter gefahren. Das Leben in ihm war ganz leicht, denn er hat uns die grenzenlose Freiheit, die wir so lieben, ermöglicht.

Zu Beginn der Reise scheint uns die Zeit endlos. Jetzt fragen wir uns, wo sie geblieben ist. Wir haben viel gesehen, vieles aber auch nicht. Irgendwann kommen wir wieder. Es war eine aufregende Zeit mit einer guten Länge für uns. Nun sind wir bereit für Abenteuer Nummer drei!

 

wetterkapriolen

Wir wussten es vorher: Patagonien ist windig und kalt. Meistens. Trotzdem merken wir, dass das Wetter beginnt, uns zu nerven. Heiligabend und erster Weihnachtstag mit Dauerregen – ok, gegessen. Dann einige traumhafte Sonnentage bevor es wieder kalt und nass wird. Wir wachen morgens auf und sehen die umliegenden Berggipfel bedeckt mit einer Puderzuckerschicht. Es hat geschneit. Unser Atem kondensiert im Wohnmobil. Wir sind dankbar für unsere zuverlässige Heizung.

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Es hat geschneit oben auf den Bergen!

Leider befriedigt dieses Wetter mit vielen Wolken Andis Fotografenseele so gar nicht. Die Fotos sind ebenfalls grau und werden dieser traumhaften Natur nicht ansatzweise gerecht.

Aber zum Glück sind diese Wetterkapriolen immer nur ein ein- oder zweitägiges Intermezzo. Mit der Sonne kommen die Farben und Blicke zurück. Eine Fährfahrt bei strahlendem Sonnenschein erinnert an die Fjorde Norwegens. Wir lernen Gudrun und Christian aus Hamburg kennen und treffen unser Couchsurfer-Pärchen wieder, das wir vor einigen Tagen beim Trampen mitgenommen hatten. Es geht zurück nach Argentinien.

Silvester verbringen wir an einem wunderschönen und einsamen Platz am See, leider bei Sturm und Kälte. Der Blick auf den Vulkan Lanin bei wolkenlosem Himmel entschädigt uns bereits am kommenden Tag. Wir wandern an diesem schönen Ort und ziehen weiter zur Argentinischen Seenroute.

Die „Route de siete Lagos“ erwartet uns wieder mit Regen. Die Tagestemperatur liegt bei acht Grad. All die wunderbaren Blicke auf stahlblaue Gletscherseen und schneebedeckte Bergmassive bleiben uns verwehrt. Wie schade. Doch nach einer Nacht auf einem bezaubernden Campingplatz direkt am See werden wir von der Sonne geweckt. Und dieser Tag verwöhnt uns mit all den Blicken die wir uns so gewünscht haben. Traumhaftes Patagonien!

Es ist voll geworden, die Hochsaison hat direkt nach Neujahr begonnen. Plötzlich sind wir nicht mehr alleine auf den Campingplätzen und den Wanderwegen. Und das mit Abstand beliebteste Hobby hier ist das Angeln.

Trotzdem finden wir immer einen ungestörten Platz.dsc_1666

Patagonien macht uns den Abschied jetzt wirklich schwer. In zehn Tagen ist unsere Zeit in Südamerika abgelaufen. Langsam machen wir uns auf den Rückweg nach Buenos Aires. 1.600 Kilometer liegen vor uns. Wir freuen uns auf die Wärme, die uns dort erwartet. In Buenos Aires ist richtig Sommer!