pause statt pausenlos

In den letzten sieben Wochen sind wir fast 10.000 Kilometer gefahren. Wir bemerken, dass wir ein wenig reisemüde sind und gönnen uns eine kleine Pause. Puerto Madryn ist dafür der richtige Ort. Am Atlantik gelegen hat es nicht nur einen riesigen und wunderschönen Strand, sondern pulsiert mit circa 90.000 Einwohnern und ist durch die Wale in der Bucht auch Touristenmagnet. Es gibt gemütliche Cafés, Seafood-Restaurants und sehr sehr gute Eisdielen.

Es ist Frühling hier im Norden Patagoniens. Die Bäume blühen, es duftet überall nach Oleander, Flieder, Jasmin, Rosen und frisch gemähtem Gras. Uns erreichen zahlreiche Fotos von Weihnachtsmärkten und Schneetreiben in Deutschland. Dadurch wird sehr klar, dass wir uns mit unseren Reisen für ein Jahr Frühling und Sommer entschieden haben. Wir finden es herrlich, nach wie vor in kurzer Hose, mit Flipflops und nur dünner Jacke unterwegs sein zu können. Manchmal weht jedoch auch ein starker Wind aus Süd und bringt kühle Luft aus der Antarktis mit sich. An anderen Tagen verkriechen wir uns in den Schatten, wenn die 30 Grad-Marke geknackt wird.

Wir lernen Ruben und seine fünf Frauen kennen, eine argentinische Familie, die hier lebt. Sie sind neugierig, fragen uns viele Dinge über Deutschland und laden uns zum Asado zu sich nach Hause ein. Es wird ein sehr lustiger Abend. Dank Google-Translater können wir uns „unterhalten“. Zwei seiner vier Töchter sprechen sogar ein wenig Englisch.

Nach dem Asado fahren wir gegen Mitternacht zum Aussichtspunkt mit herrlichem Blick. Alles ein wenig später hier. Gegessen wird zwischen 22.00 und 23.00 Uhr.

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Puerto Madryn bei Nacht
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Ein Teil unserer Gastfamilie.

Zwei Tage später wird die Tochter Dolores 18 Jahre alt. Argentinier feiern gerne. Es gibt ein großes Fest an einem Mittwochabend und wir sind eingeladen. Was für ein Erlebnis!

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Das Geburtstagskind Dolores

Ganz offensichtlich sind Ruben und seine Familie stolz darauf „los Alemanes“ zu Gast zu haben. Das Interesse an uns, an Deutschland, wie wir dort leben, was wir frühstücken, ob wir reich sind, was wir arbeiten, ob wir Kinder haben usw. ist riesengroß. Ein Freund des Geburtstagskindes spricht ganz gut Englisch, einige andere Gäste können auch ein paar Brocken, und so läuft die Kommunikation.

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Die Kommunikation läuft…

Wir erleben einen Abend, der vor Herzlichkeit, Freude, Miteinander, Familiensinn, Spaß und kulinarischen Genüssen kaum zu toppen ist. Es wird gemeinsam gesungen, viel gelacht, noch mehr gegessen und geredet. Alles läuft deutlich unkomplizierter ab als wir es kennen. Wenn die Getränke leer sind, fährt jemand zum Kiosk und holt neue. Vorratshaltung gibt es nicht. Besteck und Geschirr reichen irgendwie nicht für alle circa 25 Gäste. Egal, geht schon irgendwie. Und wir wundern uns darüber, dass es keinen Alkohol gibt.

Wir genießen unsere Pause hier sehr und stellen fest, dass wir für Begegnungen wie mit Rubens Familie länger an einem Ort bleiben müssen. Die Begegnung ermöglicht uns tiefere Einblicke in die argentinische Gesellschaft und löscht bei uns viele Fragezeichen der letzten Wochen. Eine schöne Erfahrung.

Beim Aufenthalt in Puerto Madryn diskutieren wir auch, welches Auto wir zukünftig in Deutschland fahren wollen. Wir beobachten die unterschiedlichsten Modelle und entwickeln eine Rangliste:

  1. Ein Pickup wäre cool! f5feec8090d41956de6629944931329a
  2. What about a Jimmy?bf199825_7e6e89
  3. Oder doch lieber wieder ein Mini?

Coole Karossen gibt es hier jedenfalls viele:

Das war eine sehr schöne Pause, die uns auch ermöglicht hat, uns um den Verkauf unseres Busses zu kümmern. Peter und Melike aus Berlin haben ihn gekauft und kommen im Januar mit ihrer kleinen Tochter Maja nach Südamerika. Sie werden hier drei Monate reisen.

 

Unsere Abenteuerlust kommt zurück. Wir wollen weiter. Im Süden Patagoniens und Chiles gibt es noch unendlich viel zu sehen. Auf gehts!

 

wa(h)lbekanntschaften

Der Titel mag schon verraten, was wir uns in den Kopf gesetzt haben. Wir wollen Wale sehen! In Argentinien sieht man Wale auf der Halbinsel Valdez an der Atlantikküste. Das bedeutet einen Umweg von mehr als 1.000 Kilometer für uns – einmal quer durch Argentinien fahren. So what! Was sind schon 1.000 Kilometer in einem Land wie diesem.

Und so fahren wir 2,5 Tage nach Osten und Südosten. Unser Traum ist es, die Wale vom Strand aus zu sehen. Wir haben viele wunderschöne Geschichten von anderen Overlandern gehört die beschreiben, dass man die Tiere zum Greifen nah sieht. Sie springen aus dem Wasser, und Nachts hört man sie schnauben. Genau das wollen wir auch erleben!

Und so sind wir schon ein wenig enttäuscht, als wir im Visitor Center des Parks erfahren, dass Wale um diese Jahreszeit nur noch vom Boot aus zu sehen sind. Die Southern Right Wales – um die es hier geht – kommen jedes Jahr aus der Antarktis in diese Bucht in Valdez um sich zu paaren und ihre Kinder zu gebähren. In dieser Zeit (etwa von Juli bis Dezember) essen sie nicht, sondern zehren von ihren Vorräten. Im Dezember ziehen sie dann ein wenig entkräftet zurück in die Antarktis. Dort gibt es ihr Futter Krill. Wir erfahren, dass momentan noch etwa 15 Wale mit ihren Babys da sind, die anderen mehr als 900 sind bereits auf dem Rückweg. Also buchen wir eine Tour über die Halbinsel inklusive Bootstrip und erleben einen fantastischen Tag.

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Die Karte der Halbinsel Valdez
Los geht es mit den Walen. Auf ungewöhnliche Weise, nämlich per Trecker, wird das Boot ins Wasser gelassen (der Strand ist flach und es gibt keine Pier) und macht sich auf den Weg, die Wale zu finden. Es ist sehr wellig, schnell werden einige Passagiere seekrank. Wir haben Glück und entdecken nach etwa 15 Minuten eine Walmutter mit Baby.

Die Tiere kommen nah an das Boot. Sie sind weder ängstlich noch scheu. Nach etwa 20 Minuten taucht ein weiteres Pärchen auf und gegen Ende der Tour sogar noch ein drittes.

Wir lernen viel über diese beeindruckenden Tiere und ihr Verhalten. Hat schon was sehr majestätisches, den Walen so nah zu sein.

Als nächstes sehen wir Seelöwen und Seeelefanten. Vor allem die große Seeelefantenkolonie beeindruckt uns tief. Viele große und junge Tiere lümmeln an der Küste und schauen uns mit großen Augen an. Sie sehen aus wie knochenlose Fleischberge und bewegen sich auch so, wenn sie über den Strand robben. Darüber hinaus rülpsen und furzen sie ständig.

Auf dem Weg zu den Pinguinen dann das Highlight des Tages: Orcas! Der Killerwal hält sich primär im März in der Bucht auf, aber außerhalb der Bucht wird er auch zu anderen Zeiten gesichtet. Vier Orcas haben sich mehr oder weniger festgeschwommen. Bei Ebbe kommen sie aus der kleinen Bucht, in der viele Seelöwen als Beute liegen, nicht mehr raus und müssen auf die Flut und das steigende Wasser warten. Die Babyorcas geben heulende Geräusche von sich. Ganz eindeutig sind die Tiere in Not. Gebannt stehen alle Touristen hinter der Absperrung und beobachten das Geschehen. Und uns allen fällt ein Stein vom Herzen, als sie endlich frei kommen und im Meer verschwinden.

Als krönenden Abschluss besuchen wir noch eine kleine Pinguinkolonie. Süß, die Gesellen. Und sehr zutraulich. Wir kommen nah ran.

Ein eindrucksvoller Tag mit einer netten Gruppe und der überragenden Reiseführerin Rita. Wir könnten viele Tage hier verbringen, bei und mit den Tieren. Und ein wenig Zeit nehmen wir uns auch noch dafür bevor es weiter in den Süden geht.

 

 

kordilleren, canyons und kalte keller

Es ist so schön am Meer. So entspannt und entspannend. Wir könnten hier wochenlang bleiben.

Und doch merken wir, dass es uns weiter zieht, rastlose Geister, die wir tief in unserem Inneren dann doch sind.

Chile hat uns sehr gut gefallen, hat es uns einfach gemacht. Und da wir wissen, dass wir in Kürze wiederkommen, fällt uns der Abschied nicht schwer. Der ursprüngliche Plan war, über den abenteuerlichen Paso Aqua Negra nach Argentinien zu fahren, doch der macht erst im Dezember auf. Schade, doch dadurch bleiben uns 200 Kilometer Schotterpiste erspart. Wir entscheiden uns für den wohlklingenden Paso de Libertadores – bestens geteert und für unsere staunenden Augen wahrlich spektakulär genug. Wie stumme Riesen scheinen die schneebedeckten Gipfel ringsum Wache zu halten, während wir uns Serpentine für Serpentine im zweiten Gang in die Höhe schrauben. Plötzlich ist der Blick frei auf den mit 6.962 Metern höchsten Berg des amerikanischen Kontinents, den Aconcagua. Vollkommen wolkenfrei erblicken und bestaunen wir ihn.

Die Grenzformalitäten sind entgegen aller Befürchtungen vollkommen stressfrei. Nach unserer geringen Begeisterung für den Norden Argentiniens bekommt das Land von uns seine zweite Chance. Und die verdient es sich redlich! Die Ostseite der Anden empfängt uns mit allerbestem Sommerwetter und einem wundervollen einsamen Nachtplatz an einem Fluss.

Wir erreichen Mendoza, das Zentrum der argentinischen Weinproduktion. Die Stadt ist groß, aufgeregt, aber mit ihren breiten baumgesäumten Straßen auch sauber, aufgeräumt und stilvoll. Ganz anders als der Norden. Hier merken wir schnell, dass es den Menschen wirtschaftlich besser geht. Wir besuchen eine Bodega, ein kleines familiengeführtes Weingut, lassen uns durch die gut gefüllten und eisig kalten Keller führen und probieren ein paar ganz besondere Tropfen.

Weiter geht es auf der Ruta 40, mit 5.301 Kilometer die längste Straße der Welt und neben der Panamericana eine der bekanntesten Fernstraßen, Richtung Patagonien. Dank iOverlander finden wir wieder einen einsamen Nachtplatz unter dem weiten südlichen Sternenhimmel. Der Weg durch das ausgetrocknete Flussbett war sandiger als gedacht. Wir fahren uns mal wieder fest. Mittlerweile sind wir erfahren darin, lassen Luft aus den Reifen, und der Bus pflügt souverän durch den Sand.

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Die atemberaubende Bergwelt der Anden, die schneebedeckten Kordilleren, stehen Spalier auf unserem Weg durch grüne Täler. Die Wüste haben wir hinter uns gelassen. Und es ist herrlich warm und sonnig. Ein perfektes Klima. Wo es sich lohnt, verlassen wir die Ruta 40 und fahren z.B. durch den Canyon Atuel, vorbei an Stauseen und durch die Enge der steil aufragenden Felswände.

Wir merken, dass wir endgültig in Südamerika angekommen sind. Täglich genießen wir unsere Freiheit auf´s Neue. Die Freiheit, in diesem grenzenlosen Land dahin fahren oder anhalten zu können, wohin und wann immer wir wollen. Und während wir hören, dass es in Hamburg den ersten Schnee des Winters gibt, haben wir den ersten Regentag. Seit Monaten.

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Die Kordilleren stehen Spalier

Nun liegen 1.500 Kilometer vor uns. Wir haben unsere geplante Route geändert, denn wir haben uns was in den Kopf gesetzt. Dazu mehr im nächsten Blogpost!