es regnet, es ruckelt, es raucht

Am ersten Weihnachtstag sitzen wir bei Dauerregen nach dem Frühstück gemütlich im Bus. Vor uns ein wunderbarer Bergsee, rechts der Vulkan Osorno, dessen schneebedeckte Spitze wir auf Grund der dunklen Wolken nur erahnen können.

Plötzlich wackelt der Bus, sehr ungewohnt und heftig. Er pumpt in die Stoßdämpfer, und wir denken zuerst an einen Bären, der an unsere Vorräte will. In Chile gibt es jedoch gar keine Bären, aber häufig Erdbeben. Wir erleben gerade ein Beben, das etwa 200 Kilometer weiter südlich mit der Stärke 7,7 gemessen wird. Erst vor zwei Tagen waren wir in genau dem Ort, in Quellon auf Chiloé. Dort gibt es eine Tsunamiwarnung, die die Behörden später wieder zurücknehmen. Der Fährverkehr wird eingestellt, einige Straßen rutschen ab. Sonst passiert zum Glück nicht viel.

Hier in Chile leben die Menschen täglich mit der Gefahr von Erdbeben oder Vulkanausbrüchen. Unser Nachtplatz unterhalb des Vulkans Osorno ist zentimeterdick mit Vulkanasche bedeckt. Sie stammt vom Ausbruch des Calbuco im April 2014. Der Campingplatz ist seitdem geschlossen. Auf den Wanderwegen sackt man in der Vulkanasche ein wie an einem Sandstrand. Trotzdem nutzen wir die Regenpause an diesem Tag, um einen Trail in Richtung Vulkan Osorno zu gehen. Ein wenig öffnet sich die Wolkenschicht. Wir erahnen die Spitze, mehr leider nicht.

Chiloé ist eine ganz besondere Insel. Nach den spektakulären Blicken auf der Carretera Austral erwartet uns hier eine ruhige, hügelige Landschaft. Immer wieder regnet es, darum ist die Insel so grün. Die tief hängenden Wolken sorgen für eine mystische Stimmung. Wir besuchen die Pazifikküste ebenso wie die Ostküste, deren Fjordlandschaft an Norwegen erinnert. Und wieder einmal gibt es wunderschöne Übernachtungsplätze für uns.

Von Chiloé geht es weiter nördlich in die chilenische Seenlandschaft, nachdem wir hinter Valdivia ein letztes Mal am Pazifik waren. Und in der bunten Studentenstadt selbst besuchen wir einen Markt mit ganz besonderen Highlights.

Und nun stehen wir an einem der zahlreichen Seen und genießen diesen unglaublichen Blick auf den Vulkan Villarica. Die Sonne ist zurück. So sieht alles doppelt so schön aus. Das Wasser ist unglaublich blau, die Natur sprüht den Frühling. Die Wiesen sind voller Blumen und ein wenig erinnert uns diese Bilderbuchlandschaft an zuhause.
Ob wir uns deshalb so wohl fühlen?

 

Titelbild: Vulkan Villarica; Blick vom Campingplatz in Panguipulli

und mittags apfelpfannkuchen mit gletscherblick

Es ist so saftig grün, so satt und bunt und so feucht. Wir sind auf der Carretera Austral in Chile. Diese 1.200 Kilometer lange Straße in Patagonien wurde erst zur Zeit der Pinochet-Diktatur in den 1980er Jahren gebaut. Sie schließt den bis dahin abgetrennten Süden an den Rest des Landes an. Nur wenige Abschnitte der Strecke sind geteert, insgesamt leben 91.000 Menschen in dieser Region. Es regnet viel, fast täglich. Und die Natur ist dementsprechend üppig – sehr üppig.

Es gibt Regenwald, auch wenn in den 1940er Jahren 30.000 Quadratkilometer davon abgeholzt wurden. Das entspricht der Größe Nordrhein-Westfalens. Die Folgen sind unübersehbar. Auf den freigelegten Flächen wird heute Viezucht betrieben.

Die Carretera führt uns durch dichte Wälder, vorbei an tiefblauen Seen und wild schäumenden Flüssen, scharf eingeschnittenen Fjorden und schneebedeckten Gipfeln. Sie ist wohl Chiles schönste Route in die Einsamkeit. Wir klettern mit unserem Bus Berge hinauf und durchkreuzen Weidelandschaften, Sumpfgebiete und riesige Urwälder. Zu Fuß erobern wir Gletscher und Vulkane. Das erfordert viel Kondition, denn die Wege sind oft sehr steil und schwierig zu gehen. Immer werden wir mit fantastischen Blicken belohnt, manchmal sogar ganz ohne Wanderung.

Der Rharbaber ist hier meterhoch. Lupinenfelder in lila und rosa wechseln sich ab mit baumhohem Bambus und rosafarbenen Glockenblumen. Die Wiesen sind gespickt mit gelben Butterblumen. Endlich stehen wir mit dem Bus auf Grasflächen statt auf Staub. Und der Bus braucht nicht mehr täglich eine Grundreinigung im Innenraum.

Der Ort Chaiten ist unsere letzte Station an der Carretera. 2008 ist hier völlig überraschend der Vulkan Chaiten ausgebrochen und hat den ganzen Ort in Schutt und Asche gelegt. Noch heute bietet sich uns ein Bild der Verwüstung, auch wenn sich die Natur vieles schon zurückerobert hat. Die anstrengende Besteigung des Vulkans zeigt das ganze Ausmaß der Katastrophe.

Von Chaiten nehmen wir die Fähre auf die Insel Chiloe, wo uns wieder ein ganz anders Chile erwartet.

Mittlerweile hat die Ferienzeit eingesetzt. Nur noch selten haben wir einen Übernachtungsplatz für uns allein. Fast täglich verbringen wir den Abend mit anderen Reisenden und hören viele ungewöhnliche und besondere Lebensgeschichten (www.viaje.ch).

Ach ja, Weihnachten findet hier eher am Rande statt. Ein kleines Angebot an Süßigkeiten und Alkohol in den Supermärkten sowie ein wenig Deko lassen auf die bevorstehenden Festtage schließen. Mal sehen wo wir Weihnachten verbringen.

blown away

Vorgestern haben wir auf einer Wanderung ein Paar aus Utah kennen gelernt. Die zwei sind sechs Monate auf Reisen und haben in Alaska begonnen. „It blew us away“ kommentierte Chelsey ihre Zeit dort. Und genauso geht es uns, wenn wir an die vergangenen Tage am Gletscher Perito Moreno und an das Fitz Roy-Massiv in Patagonien denken. It really blew us away!

Der Perito Moreno Gletscher ist fünf Kilometer breit, zwischen 50 und 70 Meter hoch und 30 km lang. Jeden Tag schiebt er sich 2,2 Meter vorwärts. Das führt zu regelmäßigen, teilweise spektakulären Abbrüchen. Er kalbt täglich kleine Eisberge. Und ist der weltweit einzige Gletscher der nicht abschmilzt sondern wächst.

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Gletscher Perito Moreno
Das sind die Fakten – schon unglaublich genug. Aber dann standen wir davor. Uns stockte der Atem bei diesem Anblick. Je nach Sonneneinstrahlung leuchtet der Gletscher in einem gleißenden Eisblau. Immer wieder knallt, kracht und knirscht es irgendwo. Er ist ständig in Bewegung. Acht Stunden schauen wir, staunen und lauern auf den spektakulär großen Abbruch. Die Stücke, die vor unseren Augen abbrechen, sind „nur“ 20 bis 25 Meter hoch. Was für eine gewaltige Naturschönheit.

In El Calafate kommen wir zufällig in den ungeplanten Genuss eines kleinen Gaucho-Festivals mit diversen Wettbewerben. Wir sind beeindruckt, wie diese Jungs und Mädels mit ihren Pferden umgehen können. Chapeau!

Weiter geht es durch die patagonische Steppe zum Fitz Roy-Bergmassiv mit 3.441 Meter Höhe. Eine elf Kilometer Wanderung soll uns zum tollsten Aussichtspunkt bringen. Aber schon nach vier Kilometern am ersten Mirador wird klar, dass uns heute kein guter Blick mit blauem Himmel vergönnt ist. Es zieht sich zu, der Wind legt sich mal wieder richtig ins Zeug und es ist rattenkalt. Wir haben genug gesehen und kehren um. Auf das Wetter ist halt in Patagonien nie Verlass. „Four seasons in one day“ lautet das Motto. Langzeitreisende aus der Schweiz bestätigen uns, dass die Wetterkapriolen in diesem Jahr ganz besonders ausgeprägt sind. War ja klar…

Wir fahren weiter in Richtung Chile. Die lange Fahrerei wird durch idyllische Übernachtungsplätze belohnt.

Ganz besonders schön waren in den letzten Tage wieder einmal die zahlreichen Begegnungen mit anderen Reisenden. Wir haben Annika und Jonny aus der Schweiz wiedergetroffen und drei gemeinsame Tage rund um den Gletscher Perito Moreno verbracht. Ein Paar aus den Niederlanden mit großem Mercedes-Truck reist seit acht Jahren und hat viel zu erzählen. Auf dem Campingplatz in El Calafate sitzen wir am Abend zu acht um den Tisch und tauschen uns aus. Und auf dem Weg nach Chile treffen wir David aus Großbritannien, der uns mit seinem 4×4 Sprinter rauszieht, weil wir uns mal wieder im Sand festgefahren haben. Glück für uns in dieser menschenleeren Gegend am Lago Cardiel.

All diese Begegnungen, sowohl mit der Natur als auch mit den Menschen, machen das Reisen für uns immer wieder so besonders und erstrebenswert. Jeder hat seine ganz eigene interessante Geschichte. Und uns tut es gut, hin und wieder Abwechslung in unsere Zweisamkeit zu bringen. Unseren ersten Hochzeitstag am 10. Dezember genießen wir jedoch zu zweit :-).

hey, ab in den süden

Patagonien ist speziell. Wir hatten schlechte Straßen, niedrige Temperaturen, Wind und unendlich viel Grün mit diesem Landstrich verbunden. In den letzten Tagen werden wir eines besseren belehrt.

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Riesiges Patangonien

Patagonien ist riesengroß. Wir fahren hunderte von Kilometern, aber es ändert sich wenig: Gegend ohne Ende, Schafe, Guanacos und kaum Menschen. Bäume gibt es kaum, fast überall finden wir Steppe.

Abwechslung in dieses Landschaftsbild bringt lediglich die Atlantikküste. Es gibt viele herrliche, einsame Strände, Pinguin- und Seelöwenkolonien sowie den ein oder anderen netten Ort.


Wir suchen uns einsame Plätze, stehen fast immer wild und meistens ganz alleine. Nur wenn wir duschen oder Wäsche waschen müssen gehen wir auf Campingplätze. Hier treffen wir auch andere Traveller, manche gar zum wiederholten Mal. Mit etwas Glück gibt es aber auch an der ein oder anderen Tankstelle eine gute Dusche.

Unser Kurs durch dieses riesige Land geht gen Süden. Das hat den großen Vorteil, dass die Tage immer länger werden. Es ist erst gegen 22.30 Uhr dunkel. Während zuhause alle im Weihnachtsmarkt-, Plätzchenback- und Dekofieber sind, genießen wir die langen und oftmals warmen Tage hier ganz tief im Süden.

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Auch bei uns weihnachtet es ein wenig.

Es ist garnicht mehr weit bis zum Ende der Welt, Ushuaia. Aber die letzten 900 Kilometer sparen wir uns. Das ist uns einfach zu viel Fahrerei, auch wenn die Namen wie „Punta Delgada“ oder „Punta Arenas“ in unseren Ohren nach Abenteuer klingen. Vielleicht beim nächsten Mal… 🙂

Und so kommen wir unserem nächsten Highlight näher, dem Nationalpark Torres del Paine in Chile. Seit Andreas einen Beitrag darüber im Heute-Journal gesehen hat, träumt er vom Besuch dieses einzigartigen Bergmassivs im Süden Patagoniens. Es ist weit bis zum Torres, die Straßen teilweise gruselig. Und als wir endlich ankommen, ist von den spektakulären Bergen nichts zu sehen. Nebel und Regen – es ist zum heulen. Erinnerungen an unseren Indienurlaub vor zwei Jahren werden wach. Dort haben wir das Taj Mahal wegen Nebel nicht sehen können. Bitte nicht schon wieder!

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Torres del Paine – irgendwo sollen hier tolle Berge sein…

Vorbei an zahlreichen Aussichtspunkten mit Blick auf Gletscherseen, deren unglaubliche Farbe bei Sonnenlicht gut vorstellbar ist, kommen wir zu einem gut gelegenen Campingplatz. Dort treffen wir nicht nur Penny und Dane wieder – die zwei Canadier hatten wir in Bolivien kennen gelernt und einige Tage miteinander verbracht – vielmehr verziehen sich Wolkenbänke und Nebel und der Blick auf das Torres del Paine-Massiv wird frei!

Es ist ein Blick, den man nicht wieder hergegeben möchte, von dem man nicht genug bekommen kann und den man sicher nie vergisst. Es regnet noch immer ein wenig, aber egal. Bis zur Dunkelheit hält es uns hier.

Am nächsten Morgen ist es nur leicht bewölkt und wir wandern zu einem Aussichtspunkt mit tollem Blick auf das Massiv. Bis zum Mittag bleibt der Blick, dann zieht es sich wieder zu.


Den Rest des Tages verbringen wir an der Laguna Azul im Park. Leider hat der Ranger uns hier nicht übernachten lassen.


Wir sind glücklich und zufrieden diese besonderen Berge so erleben zu können. Weiter gehts zurück nach Argentinien zum nächsten Highlight. Und was für eins…